"Fremd ist der Fremde nur in der Fremde"
Karl Valentin

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Des Königs Reise nach Paris

Heinrich Heine hat mal geschrieben: „Paris, die schöne Zauberstadt, die dem Jüngling so hold-selig lächelt, den Mann so gewaltig begeistert, und den Greis so sanft tröstet.“

Stadt der feuchten Träume

Tja, und wer den König kennt, weiß dass er so etwas nachprüfen muss. Also hat er sich einer kleinen Reisegruppe in die Stadt an der Seine angeschlossen. Die Gruppe bestand nur aus Männern, deswegen wurde mit kleinem Gepäck gereist. Der Reiseplan war entsprechend: Mit dem Flieger hin, Paris angesehen, in den TGV gesetzt und wieder zurück nach Hause.

Im einfachen Strahltriebwerk

Der Abflug sollte vom Zentralflughafen Berlin-Schönefeld erfolgen. Ein Airbus A 320 der renommierten Fluggesellschaft easyjet wartete mit laufenden Propellern, um seine Herrschaftlichkeit in seinem Rumpf aufzunehmen. Nach einem kurzweiligen Flug, während dem sich der König angeregt mit den Stewardessen unterhielt, erfolgte eine etwas holprige Landung in Paris Orly.

Der König fährt vorn

Von dort ging es mit der Orlyval in die Innenstadt von Paris. Die Orlyval hat den König als Bahnfreund sehr begeistert. Sie fährt ohne Lokführer, deswegen konnte der kleine Herrscher auch mal vorn hinaus schauen.







Die erste Station in Paris sollte dann Notre Dame sein. Die Kirche, auf der Ile de la Cité erbaut, wurde vom König und seinen Begleitern mit offenen Mündern bestaunt.

Quasimodos home


Als der König die Grotesken am am oberen Rand der Fassade begutachtete, glaubte er zwischen ihnen eine Gestalt verschwinden zu sehen. Es war mehr ein Schemen denn eine Person. Aber der König war sich sicher, den Glöckner der Kirche, Quasimodo, erkannt zu haben. Des Königs Begleiter lachten ihn zwar ob seiner Fantasie aus, aber seine Plüschigkeit ließ sich nicht beirren und sprach an den folgenden Tagen immer wieder von dem seltsamen Erlebnis.

Esmeraldas Enkelin?
Wenn es die schöne Zigeunerin Esmeralda statt des verkrüppelten Glöckners wäre, hätten die Kameraden sicher anders reagiert.












parlez-vous po russki
Nach einem kurzen Imbiss in einem Bistro, es gab Baguette, fuhr der Trupp mit der Metro nach Stalingrad und zur Bastille. Stalingrad – da klingelte es doch in den Ohren des Königs. Da war doch mal was. Ja, diese Metrostation  und der dazugehörige Platz wurden nach Ende des Zweiten Weltkrieges zur Erinnerung an die Schlacht von Stalingrad in „Stalingrad“ umbenannt.
Die Bastille konnte der König nicht besichtigen. Sie wurde im 18. Jahrhundert, nach dem Sturm auf die Bastille, bis auf wenige Mauerreste abgerissen. Heute befindet sich am ehemaligen Standort ein nach ihr benannter Platz.




Nach diesem touristisch eher mageren Trip wurde als nächstes Ziel Sacré-Cœur de Montmartre, eine Wallfahrtskirche auf dem gleichnamigen Hügel im Norden von Paris ausgerufen.

Sackre Köhr
Nach dem etwas beschwerlichen Aufstieg auf den Hügel und dann auf die Basilika bot sich dem Herrscher ein fantastischer Blick auf das Pariser Häusermeer. Er konnte sich gar nicht satt sehen. Aber ganz plötzlich konnte der König nichts mehr hören!
Über den Dächern von Paris

Ein schrecklich lauter Ton ließ des Königs Ohrenschmalz schmelzen. Die Savoyarde, die größte Glocke Frankreichs und eine der größten der Welt wurde geläutet und rief zur Andacht. Da hätte man den König auch mal vorher warnen können. So verließ er mit leichtem Tinnitus den Hügel und beruhigte sich und seine Nerven bei einem Schoppen Rotwein im örtlichen Cafe.


Kunst und Krempel
Wieder in der Innenstadt wollte der König Kunst sehen. Also auf in den Louvre. Dort bestaunte er viele schöne Bilder. Seine nicht so sehr kunstbewanderten Begleiter drängten jedoch zur Eile. So fiel der Besuch dort recht kurz aus. Seine Plüschigkeit konnte froh sein, einen kurzen Blick auf die Mona Lisa von Leonardo da Vinci werfen zu können. Sehr enttäuschend, dieser Blitzbesuch.
Direktimport aus Ägypten
Wieder an der frischen Luft ging es zum größten Platz von Paris, dem Place de la Concorde. Dort gruselte es dem König etwas. Er erfuhr, dass dort 1793 die Guillotine aufgestellt und innerhalb von zwei Jahren 1119 Menschen geköpft wurden. Unter anderen wurden dort König Ludwig XVI. und Königin Marie Antoinette guillotiniert. Irgendwie juckte dem König der Hals und der Nacken.
Da der Besuch des Königs nicht offizieller Natur war, verzichtete er auch auf einen Besuch beim Herrscher von Frankreich. Seine Plüschigkeit konnte aber im Vorbeifahren einen Blick auf den Amtssitz von Monsieur Hollande werfen. Es ist ein doch eher schlichtes Gebäude.

Keine Audienz im Elysee-Palast












Blieben noch zwei Sachen zu erledigen: der Pariser Triumphbogen Arc de Triomphe und der Eiffelturm.

Sieht aus wie in Potsdam
Der Triumphbogen sah aus, wie die meisten Triumphbögen aussehen, groß, steinern, außen viereckig, innen bogenförmig. An den Pfeilern des Bogens waren Listen mit gefallenen Generälen des ersten französischen Kaiserreiches (1804–1814) sowie der französischen Revolution angebracht. Der König las sich alle 660 Namen gründlich durch. Vielleicht kannte er jemanden davon. Das war aber nicht der Fall.


Am Eiffelturm bestaunte seine Herrschaftlichkeit die Ingenieurskunst von Herrn Eiffel. 320 Meter hoch, 8.000 Tonnen Stahl, 60 Tonnen Farbe und 2,5 Millionen Nieten – das muss man erst mal zusammenbasteln.

tour d'acier
„Respekt“, dachte der König. Er legte am Fuß des Turms ein Blumengebinde zur Erinnerung den italienischen Arbeiter ab, der 1889 beim Einbau der Aufzüge ums Leben kam. Es war der einzige tödliche Unfall beim Bau des Eiffelturms.












TGV Duplex
Nach diesem besinnlichen Moment stärkte sich die Reisegruppe mit Baguettes, Käse und Froschschenkeln für die Rückreise.
Diese sollte für den kleinen Herrscher noch zum Highlight werden. Mit dem TGV ging es vom Pariser Bahnhof Gare de l’Est mit Höchstgeschwindigkeit zurück nach Deutschland. Fast 320 km/h zeigte der Tacho im Fahrgastraum dem König an! Hui, das ging vielleicht ab. Der König lief aufgeregt im Zug hin und her. Aber bald wurde auch er müde und er ruhte sich etwas aus. Im Halbschlaf fiel ihm ein, dass er ja weder Pigalle – das Rotlichtviertel von Paris, noch das Moulin Rouge gesehen hat. Aber das lag vielleicht an den Begleitern. Solche Sachen waren nichts mehr für sie. Für die sündigen Stunden sucht er sich das nächste Mal eine anderer Reisegruppe. Bis dahin träumt er eben noch von l'amour.
Echte Kerle